Schallschutz

Schallschutz als wachsende Herausforderung

Planung
Tipps für Bauherren, Planer und Architekten

Frühzeitige Planung

Ausreichend Vorlauf verhindert teure Korrekturen und stellt sicher, dass passende Systeme gewählt werden. Einbinden bzw. Zusammenarbeit mit dem Fensterbauer.

FENSTER SIND FÜR LAIEN EIN BAUTEIL UNTER VIELEN, ABER FÜR UNS FACHLEUTE EINE TECHNISCHE MEISTERLEISTUNG.
Frank Diebold
Dipl. Bauphysiker FH und Bauschadenexperte sowie Zertifizierter Prüfer der Gebäudeluftdichtheit FLiB bei der QC-Expert AG.
Interview

Schallschutz bei Fenstern wird immer wichtiger

Immer dichteres Bauen, grössere Fensterflächen und zunehmender Verkehrslärm stellen Planer und Fensterbauer vor Herausforderungen. Moderne Fenstersysteme bieten hohe Qualität, doch beim Schallschutz sind Details entscheidend. Frank Diebold, Dipl. Bauphysiker FH, erklärt im Experteninterview, worauf es ankommt.

Frank Diebold kennt die Bauphysik rund ums Fenster wie kaum ein anderer. Nach seinem Studium zum Dipl.-Ing. (FH) für Bauphysik arbeitete er über zehn Jahre in einem Ingenieurbüro, anschliessend während zwei Jahrzehnten in der Forschung und Entwicklung bei einem grossen Fensterhersteller. Dort war er an der Entwicklung eigener Fenstersysteme beteiligt und führte an den eigenen Prüfständen hunderte von Messungen für Schallschutz, Luft- und Schlagregendichtheit und mehr durch. Heute ist er als Schadenexperte bei der QC- Expert AG tätig, die aus der Bauschadenabteilung der Empa hervorgegangen ist. Seine Expertise macht ihn zu einem neutralen Sachverständigen: Er prüft und beurteilt jeweils gesamtheitlich das Zusammenspiel von Planung, Ausführung und Materialwahl. Der Fachmann weiss aus Erfahrung, wo die typischen Schwachstellen liegen.

Herr Diebold, Schallschutzfenster werden immer wichtiger und die Herausforderungen für Planer und Fensterbauer grösser. Teilen Sie diese Ansicht?

Absolut. Verdichtetes Bauen bedeutet kürzere Abstände zu Verkehrsachsen und dadurch mehr Lärmimmissionen. Gleichzeitig sind grosse Fensterflächen architektonisch gefragt, denn sie bringen Licht und Offenheit, stellen den Schallschutz aber vor Herausforderungen. Je grösser die Scheibe, desto dicker und schwerer muss sie sein, um Schall zu dämmen und gleichzeitig Wind- und Temperaturbelastungen standzuhalten. Diese Kombination verlangt von den Planern und Fensterbauern hohe Kompetenz.

Woran liegt es, wenn trotz modernster Fenstertechnik der gewünschte Schallschutz nicht immer erreicht wird?

Mit heutigen Fenstersystemen lässt sich der gewünschte Schallschutz in der Regel erzielen – Glas und Profile sind umfassend geprüft, die Systemgrenzen bekannt. Steigende Anforderungen verlangen jedoch hohe Kompetenz von den Fensterbauern. Drei Faktoren sind entscheidend: Zum einen muss man das Fenster als Gesamtsystem betrachten. Es besteht nicht nur aus Rahmen und Glas, sondern oft auch aus Verbreiterungen, Füllungen oder Brüstungselementen. Resonanzen und Schwingungen erschweren die Berechnung. Die Gesamtschalldämmung setzt sich aus flächenabhängigen Einzeldämmungen zusammen. Deshalb braucht es Erfahrung, ein gutes Gespür und Messungen – am besten eigene. Auch bei Hebeschiebetüren zeigt sich: Je besser die Fachleute das System kennen und über Messwerte verfügen, desto verlässlicher funktioniert der Schallschutz. Zweitens können Fehler bei der Ausführung auf der Baustelle entstehen – vor allem bei grossen Elementen und Fugen. Entscheidend ist, dass Flügel und Dichtungen präzise eingestellt werden – unter Zeitdruck passieren hier leicht Mängel. Und drittens ist die Schnittstelle zum Baukörper wichtig. Unsachgemäss geplante oder ausgeführte Anschlussfugen mindern die Dämmung erheblich. Denn Schallschutz ist immer ein Zusammenspiel aller Bauteile und deren fachgerechter Verbindung.

Sie sprechen die Anschlussfugen an. Was gilt es hier zu berücksichtigen?

Um die gewünschten Schalldämmwerte zu erreichen, braucht es für die Abdichtung Materialien, die Schallenergie aufnehmen und abbauen. Ideal ist der Einsatz von sogenanntem Seidenzopf – weichen, faserigen Stoffen wie Mineralwolle, Schafwolle oder textilem Recyclingmaterial. Werden damit ausgestopfte Fugen beidseitig mit elastischer Kittmasse oder überputzten Dichtbändern verschlossen, wirken diese Fasern wie ein Schalldämpfer und schlucken die Frequenzen, die sonst durchdringen würden. Entscheidend ist ausserdem die Dauerhaftigkeit: Ein solcher Fugenaufbau behält seine Wirkung über Jahre hinweg – auch wenn im Laufe der Zeit die Kittmasse an den Fugenflanken abreissen sollte. Bauschaum weist hingegen nicht diese Schalldämpferwirkung auf. Ablösungen von den Fugenflanken oder verarbeitungsbedingte Fehlstellen wirken sich negativ auf die Schalldämmung aus. Wer also bei Fenstern einen hohen Schallschutz verlangt, muss auf solche schallschluckenden Materialien setzen und die Fugen beidseitig akustisch wirksam verschliessen. Nur so bleibt die Schalldämmung langfristig erhalten.

Der fachgerechte Einbau der Fenster ist also entscheidend für den Schallschutz. Doch wer trägt am Ende die Verantwortung – Planer oder Handwerker?

Gerade weil die fachgerechte Abdichtung so entscheidend ist, sollte diese Aufgabe nicht einfach den Handwerkern überlassen, sondern vorausschauend geplant werden. Die Planer sollten klar vorgeben, wie die Fuge auszusehen hat und wer die Anschlussfuge ausführt. Bei grösseren Projekten wird dies meist detailliert geregelt, bei kleineren Bauvorhaben überlässt man es jedoch oft den Handwerkern vor Ort. Das kann zu Unsicherheiten führen: Wer ist verantwortlich für die Fuge? Wer legt fest, welche Materialien zu verwenden sind? Genau deshalb ist es entscheidend, dass die Planenden und Ausschreibenden eindeutige Vorgaben machen und die Zuständigkeiten klar regeln.

Welchen Einfluss haben die Fensterprofilsysteme?

Wie erwähnt erfüllen heute alle gängigen Profilsysteme hohe Qualitätsstandards und werden streng geprüft. Unterschiede gibt es dennoch in der akustischen Wirkung. Kunststoffprofile wie von VEKA und reine Holzprofile erreichen sehr gute Schalldämmwerte und weisen eine konstante Qualität auf. Holz-Metall- Konstruktionen haben eher etwas geringere Werte – bedingt durch die reduzierte Holzdicke und den Einfluss der Metallschale.

Herr Diebold, vielen Dank für die spannenden Ausführungen. Wie lautet Ihr Schlusswort zum Thema Schallschutz bei Fenstern?

Fenster sind für Laien ein Bauteil unter vielen, aber für uns Fachleute eine technische Meisterleistung. Das Element ist so schmal und muss doch Anforderungen aus so vielen Themen in sich vereinen – unter anderem zunehmend auch einen guten Schallschutz. Gerade wegen der wichtigen technischen Details und Anforderungen an den Einbau gehört der Schallschutz als Teil des gesamten Baukonzepts von Anfang an in die Planung.